Waldbaden tut auch im Herbst und Winter gut!
Die Entspannungsmethode Shinrin Yoku aus Japan – bei uns auch Waldbaden genannt – verspricht Entschleunigung, Stressabbau und nachhaltige Stärkung des Immun- und Nervensystems. LUNGE ZÜRICH berichtete in der zürch’air Frühlingsausgabe 2021 über das sprichwörtliche Bad im Wald, erläuterte, was die Wissenschaft dazu sagt und wie man Waldbaden in der Praxis ausübt. Doch wie sieht es speziell im Herbst und Winter aus? Kann man Waldbaden auch zu diesen Jahreszeiten praktizieren und worauf muss man bei kaltem Wetter besonders achten? Reto Frank – Psychologe FSP und zertifizierter Coach für Waldbaden – gibt im Interview mit LUNGE ZÜRICH hilfreiche Tipps.
Kann der Körper auch im Herbst und Winter Terpene* beim Waldbaden aufnehmen, die das Immun- und Nervensystem stärken? Macht Waldbaden in der kalten Jahreszeit rein körperlich gesehen Sinn?
Ja, Waldbaden macht während des ganzen Jahres Sinn. Allerdings gibt es gewisse Einschränkungen: Die Konzentration an Terpenen ist im Winter etwas tiefer als im Sommer, da die Bäume im Winter weniger «aktiv» sind. Zudem ist es kälter und die Dauer der Waldausflüge sollte den Temperaturen angepasst werden.
Worauf muss man ausrüstungstechnisch beim winterlichen Waldbaden achten?
Zentral ist ausreichend warme Kleidung! Es lohnt sich eine «Zwiebelschicht» mehr anzuziehen, nach Möglichkeit sogar die Skibekleidung zu nutzen. Ausziehen ist immer möglich. Zudem sind Schuhe mit sehr gutem Profil wichtig, um nicht auszurutschen.
Tipps
Gemäss Reto Frank lohnt sich ein gezieltes Ausnutzen der Jahreszeiten Herbst und Winter zum Waldbaden. Aus diesem Grund hat er Ihnen folgende Waldbaden-Übungen zusammengestellt:
- Im Herbst sind die Farben der Blätter wunderbar zu beobachten. Nehmen Sie sich Zeit, die einzelnen Farbnuancen der Blätter zu erkennen oder lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf ein einzelnes mehrfarbiges Blatt.
- Die gefallenen Blätter im Herbst eignen sich sehr gut für «hörendes Gehen». Konzentrieren Sie sich während des Gehens durch die gefallenen Blätter bewusst auf die dabei entstehenden Geräusche. Da kommen sicher Erinnerungen an die Kindheit hoch.
- Wer es etwas ausgefallener mag, kehrt mit den Schuhen einige Blätter zu einem Hügel zusammen und legt sich in die Blätter hinein. Dabei nehmen Sie das Gefühl sowie die Gerüche der Blätter achtsam wahr.
- Im Winter tragen die Laubbäume keine Blätter mehr. Dies gewährt uns einen einzigartigen Einblick in die Kronen der Laubbäume. Studieren Sie dabei achtsam den Verlauf des Baumes von der Wurzel bis in die äusserste Spitze der Äste.
- Wieder für Abenteuerlustige: Wer kalte Füsse bekommt, kann die Schuhe ausziehen und einige wenige Momente (maximal eine Minute) barfuss durch den Wald laufen. Nach dem Wiederanziehen der Schuhe werden sich die Füsse sicher wärmer anfühlen.
Gibt es «No-Gos» fürs Waldbaden im Herbst und Winter?
Ab Temperaturen unter 4° Celsius kann Wasser gefrieren. Deshalb muss bei sehr kalten Temperaturen ein Spaziergang gut überlegt sein. Benutzen Sie nur Wege, die mit den eigenen Fähigkeiten (z.B. Gleichgewicht) problemlos gemeistert werden können. Sobald sich die Kälte im Körper bemerkbar macht (Kältegefühl an Füssen oder Händen), sollten Aufwärmübungen durchgeführt oder das Waldbad abgebrochen werden. Zentral beim Waldbaden ist das achtsame Wahrnehmen der Umgebung. Dies ist nur möglich, wenn man sich wohlfühlt. Daher empfehlen sich mehrere kurze Waldaufenthalte pro Woche, beispielsweise viermal 30 Minuten, anstelle wenigen langen Spaziergängen von einmal 90 Minuten.
* Bäume und Pflanzen setzen beim Stoffwechsel Terpene – ätherische Öle – frei. Bei einem Waldaufenthalt atmet man diese Terpene ein und stimuliert die körpereigenen Immun- und Killerzellen und stärkt so die natürlichen Abwehrfunktionen des Menschen.
Zur Person
Reto Frank hat Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie und im Nebenfach Betriebswirtschaftslehre studiert und trägt den Fachtitel Psychologe FSP. 2018 absolvierte der heute 37-Jährige die Ausbildung zum zertifizierten Waldbaden-Coach und bietet nun bereits seit drei Jahren Kurse im Waldbaden an.